Obwohl in Berlin jedes Jahr mehr öffentliche Toiletten aufgestellt werden, gibt es anscheinend nach wie vor nicht genug davon, denn in der Hauptstadt riecht es vielerorts nach Urin. Der Grund: Wildpinkler. Auch die neuen öffentlichen Toiletten scheinen nicht zu helfen. Was tun gegen öffentliches Urinieren?
Berlin ist eine Weltstadt mit 3.6 Millionen Bewohner:innen und jährlich fast 14 Millionen Tourist:innen, die alle irgendwann mal das „stille Örtchen“ aufsuchen müssen. 472 öffentliche Toilettenanlagen können in Berlin seit September 2023 gefunden werden. Dies sei viel zu wenig meint das Buschfunk Bündnis e.V. Bestehend aus engagierten Clubgänger:innen, setzt sich das Bündnis für Themen wie Hygiene, Gesundheit, Schamgefühlen und Geschlechtergerechtigkeit rund um die Toilette ein. In ihren Augen macht die Stadt zu wenig, um die Situation zu verbessern.
In der bereits 2021 gestarteten Petition „Pee4Free“ (dt. "Kostenlos Pinkeln"), die sich an die verantwortliche Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt richtet, fordern sie nicht nur mehr öffentliche Toiletten, sondern auch, dass diese allen Menschen kostenfrei zur Verfügung stehen sollen.
Seit August 2022 gibt es ein wachsendes Angebot an kostenlosen Toiletten in Berlin. Im Februar 2023 wurde das Angebot sogar auf 100 entgeltfreie Toiletten erweitert. Bei diesen neusten Toilettenanlagenmodellen, die „Berliner Toiletten“, sind die Pissoirs entgeltfrei nutzbar, doch die Sitztoiletten dieser Anlagen sind weiterhin zu bezahlen. Menschen, die eine Sitztoilette benötigen, werden dadurch benachteiligt, da sie zur Verrichtung ihrer Notdurft Geld zahlen müssen. Die Unterstützer:innen der Petition finden, dass diese Benachteiligung das Wildpinkeln in den Straßen und Parks begünstige.
Die gering ausgebaute Infrastruktur der öffentlichen Toiletten zeigt auch, wem der öffentliche Raum primär zugänglich gemacht wird und wer in der Stadtplanung vergessen wird. Viele Menschen, die in der Stadt unterwegs sind, benötigen etwas anderes als eins der vielen entgeltfreien Pissoirs. Und das trifft nicht nur auf Frauen zu. Auch Menschen mit Blasen- und Darmbeschwerden, Inkontinenz und Menstruation, sind auf nutzbare Toilettenangebote im Alltag angewiesen. Sichere und barrierefreie Sitztoilettenanlagen sind wichtig für die Mobilität und gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten. Niemand sollte darin eingeschränkt werden, weil sie nicht im Stehen urinieren können oder barrierefreie Anlagen brauchen, bemerkt das Buschfunk Bündnis. Und sogar die UN hat das Recht auf Sanitärversorgung und damit den Zugang zu nutzbaren Sanitäranlagen bereits 2010 als Menschenrecht anerkannt, da es für den vollen Genuss des Lebens unverzichtbar ist.
Die Zahlung von Benutzungsgebühren für Sitztoiletten widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Das Buschfunk Bündnis fordert deswegen die Abschaffung der Gebühr.
Auf Anfragen der Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg begründete der Berliner Senat 2021, dass die 50 Cent Nutzungsgebühr als niederschwellige Zugangsbarriere genutzt wird. Sie dient dazu dem Fehlnutzen der jeweiligen Toilettenanlage entgegenzuwirken. Eine dauerhafte Belegung durch einzelne Personen soll so nicht möglich sein.
Weiterhin wird erklärt, dass die Ungleichbehandlung durch den kostenlosen Zugang zu Stehpissoirs und derer hohen Anzahl, gerechtfertigt sei, denn durch dieses Angebot würde den Akteuren des Wildpinkelns eine Alternative geboten. Menschen, die Stehpissoirs nicht nutzen können, werden in der Antwort des Abgeordnetenhauses, vom Verdacht des Wildpinkelns ausgeschlossen. Eine Gefahr der Fehlnutzung wie bei Sitzanlagen, sei bei Pissoir zudem auch nicht möglich.
Seit August 2022 ist die Begleichung der niederschwelligen für einige Menschen noch schwieriger geworden. Nach zahlreichen Einbrüchen in die Toilettenanlagen wurde beschlossen bei 230 Toiletten nur noch die Bezahlung per Geldkarte zu gewähren. Menschen, die keine Geldkarte besitzen oder besitzen wollen, wird hier der Zugang verwehrt. Gruppen, die davon stark betroffen sind, seien Wohnungslose, Kinder, Jugendliche und oft Senior:innen, heißt es in der „Pee4Free“-Petition.
Statt sich auf die lange Suche nach einer Öffentlichen Toilettenanlage zu machen, wenden sich viele Menschen der nächstbesseren Möglichkeit zu. So beobachtet man in Parks des Öfteren Menschen, die zum Urinieren in die Büsche verschwinden oder, vor allem Männer, die an den nächsten Straßenbaum treten, um sich zu erleichtern. Urinieren in der Öffentlichkeit oder „Wildpinkeln“, wie es umgangssprachlich genannt wird, ist nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeldern von bis zu 5.000€ geahndete werden kann, sondern auch schädlich für die Umwelt.
Ja, menschlicher Urin kann im angereicherten Zustand zum Düngen von Pflanzen genutzt werden, dabei gibt es aber einiges zu beachten und es bedeutet nicht, dass aller Urin gut für die Natur ist und problemlos abgebaut werden kann. Vor allem Menschen, die sich sehr proteinhaltig Ernähren, die Rauchen oder Medikamente nehmen, sondern im Urin verstärkt Stickstoff bzw. Nikotin oder Arzneiinhaltstoffe aus. Stoffe, die der Natur mehr Schaden zufügen als Gutes tun. Städtische Naturanlagen, die mit großen Mengen Urin getränkt werden, müssen aufwendig von der Stadt bereinigt werden, um Baum- und Rasensterben zu verhindern.
Hoffnung für eine gerechtere Toiletteninfrastruktur gibt es demnach und das Buschfunk Bündnis setzt sich auch in Zukunft dafür ein mehr Aufmerksamkeit für das „stille Örtchen“ in der lauten Stadt zu generieren.
Doch was tun, wenn die Blase nicht so lange warten kann? Neben dem Öffentlichen-Toiletten-Finder des Landes gibt es auch die Gratispinkel.de-Karte, wo Nutzende kostenfreie WCs in ganz Deutschland markieren können. Oft kann man Toiletten in Ämtern mit Publikumsverkehr und in öffentlichen Kultureinrichtungen frei nutzen.
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