"Ich bin nicht kopierbar, ein Original und einzigartig." - Désirée Nick im Interview

Désirée Nick ist ein alter Hase im Showgeschäft, doch wie konnte sie ihre Karriere so lange aufrechterhalten? Muss man dafür Opfer bringen? Was hat die Stadt Berlin damit zu tun? Und was rät sie Leuten, die sich im Show Geschäft erst etablieren müssen? Joelina Sorgenfrei hat die Entertainerin zum Interview getroffen.

„Wer Relevanz hat, polarisiert“ - Désirée Nick ist schon seit vielen Jahren im Showgeschäft aktiv. Ich selbst habe sie das erste Mal durch ihre Teilnahme beim Dschungelcamp 2004 wahrgenommen, wo sie sogar die Krone holte. Die Berliner Ikone hat einen eher unklassischen Karriereweg hinter sich. Sie ist in vielen Bereichen vertreten. Neben Reality TV Formaten, ist sie nach wie vor auf der Theaterbühne zu sehen, ist mehrfache Autorin und Podcasterin. Sie fällt durch ihre polarisierende Art auf und bleibt einem im Kopf. Doch was steckt wirklich dahinter?

Echtes Drama oder doch nur Fake? - Ein Interview mit Désirée Nick

Joelina: Désirée Nick - Siehst du dich selbst als Rolle?

Désirée: Das kommt ganz drauf an. Es ist eine Mischung, immer wenn man auf der Bühne oder im TV ist, ist man nicht privat. Aber man muss wissen, welche Rolle man gerade spielt.

Wie echt bist du im TV, auf Social Media oder auf der Bühne? Gibt es da Unterschiede?

Désirée: Das sind drei völlig unterschiedliche Medien. Auf der Bühne ist man am authentischsten, weil da niemand eingreifen kann, daher ist es echt. Auch als Rolle. Im TV ist alles Material immer geschnitten und formatiert und bei Social Media fehlt prinzipiell der Kontext, daher ist die Wahrnehmung stets verzerrt.

"Was man von mir sieht, ist ein völlig einseitiges Bild."

Wie schafft man es über so lange Jahre präsent zu sein im Showbusiness? Was ist dein Erfolgsgeheimnis?

Désirée: Gerade, weil ich es so lange mache, weiß ich, was ich tue. Außerdem bin ich sehr flexibel, auf vielen Ebenen einsetzbar. Doch was man von mir sieht, ist dennoch ein völlig einseitiges Bild.

Biografie

Woher kennt man dich, Désirée Nick?

Désirée: Das sollten lieber andere beantworten, eigentlich aus dem Theater und als erste deutsche Dschungelqueen von 2004.

Hattest du es immer geplant auf der Bühne zu stehen?

Désirée: Ich wollte mal Ballerina werden, wurde aber zu groß dafür, leider. Das Theater kam aber immer wieder von selbst auf mich zu.

Zwischendurch hast du als Lehrerin gearbeitet. Warum hast du aufgehört?

Désirée: Religionsunterricht in Berlin wurde abgeschafft und durch Ethikunterricht ersetzt. Als katholische Religionslehrerin habe ich in der Berliner Diaspora unterrichtet, wo es kaum Schüler gab. Außerdem bin ich aufgefallen, weil mein Unterricht sehr erfolgreich war.

Wie bist du zurück auf die Bühne gekommen?

Désirée: Durch viele Zufälle, auf Empfehlungen und durch alte Bekanntschaften, aber auch weil ich Spaß hatte, wurde ich in Travestieshows als Damenimitator integriert. Man hielt mich ja für einen Travestiekünstler. Dabei lernte ich, was eine Diseuse ist, und jeder bemerkte, dass mir das total liegt, besonders das Spiel mit dem Publikum. Danach ergab sich alles Weitere ganz automatisch.

Wie gehst du mit negativen Reaktionen um? Du bist ja immer sehr polarisierend. Ist das deiner Meinung nach wichtig, um präsent zu bleiben?

Désirée: Darüber denke ich gar nicht nach. Wer Relevanz hat, polarisiert. Ich mag das Wort aber nicht, weil es in Moderationen im Untertext bedeutet: "Leute, die dürft ihr ruhig scheiße finden!" Man könnte auch sagen, ich bin nicht kopierbar, ein Original und einzigartig.

Von Berliner Bühnen zum Reality TV

Hat dir Berlin mehr Möglichkeiten geboten für deinen Weg, oder hat es dir deinen Weg schwerer gemacht durch die viele Konkurrenz?

Désirée: So wie ich bin, konnte ich werden, weil ich von den vielen Facetten Berlins in sämtlichen Varianten immer umgeben war. Ich habe auch die skurrilen Veränderungen und Entwicklungen miterlebt. Besonders das Zusammenwachsen von Ost und West hat mich ganz besonders geprägt, da meine Familie eigentlich aus dem Osten kommt, ich aber im Westen geboren wurde. Daher verstehe ich beide Seiten sehr gut.

Wie kamst du vom Theater zum Reality TV?

Désirée: Weil man mir Angebote gemacht hat und durch meine Entertainment-Shows auf mich aufmerksam wurde. Allerdings wurde ich immer nur in verzerrter Form und ohne Kontext wahrgenommen. Witze und Pointen wurden humorfrei betrachtet und als Beleidigung interpretiert. Dadurch gab es Presse, obwohl das Publikum sich totgelacht hat. Aber das steht ja dann nicht in der Zeitung.

"Ich habe jede Menge legendärer Szenen kreiert."

Was reizt dich an Reality TV? Hast du selbst vor in weitere Formate zu gehen?

Désirée: Inzwischen gibt es gar nichts mehr, weil es sehr abgerockt ist. Hier mangelt es an dem richtigen Personal. Eigentlich erleben wir davon nur noch einen Abklatsch, denn dort sind keine Künstler involviert. Stattdessen werden Psychosen und persönliches Scheitern verkrachter Existenzen ausgeschlachtet. Es scheint so, dass der Zenit überschritten ist, wie die Quoten belegen. Am besten laufen noch Formate mit No Names und Dating. Dort ist das Personal natürlich sehr jung, aber leider sehen alle immer gleich aus. Und es fehlt ihnen an Humor.

Ich habe jede Menge legendärer Szenen kreiert, an denen sich das gesamte Reality TV orientiert hat, aber es wird es niemals mehr einfangen können. Daher weiß ich nicht, was ich da noch soll.

Wertest du solche Formate auch kritisch? Gibt es Unterschiede je nach Format?

Désirée: Man kennt ja nun schon alle Formate und sieht immerzu die gleichen Bilder und Szenen. Leider werden die Spielszenen immer länger und die Dialoge immer kürzer. Obendrein sprechen sich alle vorher ab und man kennt sich schon vom roten Teppich oder über Social Media. Daher gibt es nichts wirklich Spontanes oder Authentisches mehr.

"Liebe braucht Intimität, um zu wachsen."

Mit Reality TV Formaten geht oft Kritik einher. Die Vorwürfe gehen von Niveaulosigkeit bis Sexismus. Du selbst bist eine sehr starke, selbstbestimmte, emanzipierte Frau. Besonders in Dating Formaten, werden Frauen oft auf ihr Äußeres reduziert und sehr stereotypisch dargestellt. Was sagst du dazu, wenn man die Formate mit einem feministischen Blick betrachtet?

Désirée: Ich wundere mich, wie viele Mädchen glauben, auf diese Weise ihr Lebensglück finden zu können und sich als eine von vielen anbieten, in der Hoffnung, dass ein eitler Narzisst, der gerne Model wäre, sie erwählt. Zumal die Typen alle ähnlich aussehen, tätowiert, sandgestrahlt und mit Six-Pack. Liebe braucht Intimität, um zu wachsen.

Désirée Nick zwischen Showbusiness, Privatleben und ihrem Podcast "Lose Luder"

Was machst du aktuell alles und wie bekommst du das alles unter einen Hut?

Désirée: Bald kommt mein neues Buch heraus und ich habe viele Dreh- und Promotermine vorab, sowie Fotoproduktionen. Dann steht eine Lesetour an und nächstes Jahr spiele ich wieder Theater.

Man muss jonglieren können, flexibel sein und am besten Single sein, denn mit einem Partner wäre das alles gar nicht machbar. Alle Kapazitäten, die ich habe, fließen in meinen Beruf, und ich selektiere meine Freizeit sehr sorgsam. Man muss lernen, Energien zu bündeln und keine Zeit zu verschwenden. Auch Regeneration ist sehr wichtig.

 

Auf Instagram gibt Désirée Nick einen Einblick in ihr buntes Leben. Quelle: www.instagram.com/nickdesiree

Ist es deiner Meinung nach wichtig auf so vielen Plattformen und Medien präsent zu sein?

Désirée: Auf jeden Fall, aber wenn man das umsetzt, kann man keinen anderen Beruf mehr ausüben und lebt nur noch online. Man gibt also etwas auf, wenn man nur über Online-Präsenz existiert. Künstler existieren auf Bühnen vor lebendigem Publikum oder im Studio und nicht nur virtuell. Aber ich finde, es ist eine tolle Erweiterung, um meine Marke publik zu machen.

"Luder gibt es auch in der Politik."

Wonach suchst du dir die Gäst:innen deines Podcasts "Lose Luder" aus?

Désirée: LOSE LUDER - Drin sein muss, was draufsteht. Und "Luder" gibt es auch in der Politik, unter Männern und auf allen möglichen Ebenen. Das ist gerade das Spannende, den Aspekt des Ludertums immer breiter zu entfalten. Für Menschen ohne Humor ist mein Podcast definitiv der falsche Ort, deshalb werden die auch nicht eingeladen.

Vielen Dank für das Beantworten unserer brisanten Interviewfragen und den Einblick in deine Leben als Karrierefrau.

Wer noch mehr in das Leben von Showikone Désirée Nick eintauchen möchte, sollte in die Folgen ihres Podcast "Lose Luder - by invitation only" reinhören (auf allen Podcast-Streaming-Plattformen) oder auf dem Instagram Kanal von Désirée Nick vorbeischauen.

 

Interview, Text & Titelbild: Joelina Sorgenfrei

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