Berlin Fashion Week 2024 – Glamour und Glanz in turbulenten Zeiten

Die Berlin Fashion Week 2024 fand in der ersten Juli-Woche wieder in Berlin statt. Zahlreiche prominente Gäste, Designer: innen und Zuschauende kamen in die Hauptstadt, um eine Woche Glamour, Innovation, Kreativität und Stil zu erleben. Doch angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen stellt sich ALEX-Redakteurin Carolin Ruddies die Frage: Ist eine solch opulente Veranstaltung, in Zeiten wie diesen angebracht?

Rückblick auf die Berlin Fashion Week 2024

Die Berlin Fashion Week findet seit 2007 zweimal jährlich statt und dauert, wie der Name schon sagt, eine Woche. Dort werden die Frühling/Sommer- oder Herbst/Winter-Kollektionen des nächsten Jahres präsentiert und auch in diesem Jahr gab es eine Menge zu sehen: Insgesamt erlebten knapp 28.500 Gäste ein Programm aus 35 Shows, zahlreichen großen und kleinen Events bis hin zu exklusiven After-Show Partys. Dort wurden die neusten Trends und Talente der Modebranche in verschiedensten Locations Berlins gezeigt.

Aber auch wichtige Diskussionen über die Zukunft der Modebranche kamen auf, denn dieses Jahr steht die Fashion Week vor besonderen Herausforderungen. Die aktuelle Weltlage - Klimawandel, politische Instabilität, wirtschaftliche Unsicherheiten und auch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie – machen auch vor der Modeindustrie keinen Halt.

Nachhaltigkeit, politische Unruhen und Pandemie-Folgen

Ein besonders aktuelles Thema auch bei der Fashion Week ist das Thema Nachhaltigkeit und wie damit umzugehen ist. Die Modeindustrie trägt einen erheblichen Teil der Umweltverschmutzung bei – schätzungsweise verursacht sie 10% der weltweiten CO2-Emissionen, was mehr ist als die internationale Luftfahrt und Seeschifffahrt zusammen. Im Jahr 2020 wurde in der EU pro Person rund 270 Kilogramm CO2-Emissionen verursacht, so die Europäische Umweltagentur. Aus diesem Grund sind besonders jetzt Designer: innen und Marken gefragt nachhaltige Alternativen zufinden und die Produktionsbedingungen sowie Prozesse in ihrer Herstellung zu überdenken und zu revolutionieren.

Aber auch in Politik und Wirtschaft herrschen Unruhen und Unsicherheiten. Während in Berlin die neuesten Modetrends vorgestellt werden, kämpfen Menschen an anderen Teilen der Welt um ihr Überleben. Krieg, Kämpfe, Tod - die Diskrepanz ist groß.

Die 2019 ausgebrochene Corona-Pandemie hat nicht nur die Weltwirtschaft verändert, sondern auch die Menschen in ihrem Alltag eingeschränkt. So auch die Modeindustrie: Zahlreiche Modelabels und Marken mussten mit erheblichen Problemen, teilweise ums Überleben kämpfen. Während die Menschen zunehmend ihr Konsumverhalten auf den Online-Handel umgestellt haben, mussten Einzelhändler und kleine Modelabels teilweise Insolvenz beantragen. Dass die Berlin Fashion Week wieder stattfinden kann, ist ein positiver Lichtblick für all diejenigen, die von der Pandemie betroffen waren. Viele kleine Labels konnten sich erstmalig auf der Berlin Fashion Week präsentieren und ihre Innovationen und Anpassungsstrategien präsentieren.

Nachhaltigkeit im Fokus: Das Modelabel W1P Studios

Ein Beispiel für Nachhaltigkeit bei der diesjährigen Berlin Fashion Week ist das junge Modelabel W1P Studios. Das Slow-Fashion Label setzt sich für nachhaltige und ethisch produzierte Mode ein und nutzt hauptsächlich Deadstock für ihre Kollektionen. Die Frühling/Sommer 2025 Kollektion von W1P Studios wurde sogar ausschließlich aus Second-Hand Kleidung und Materialien gefertigt.

Was ist Deadstock?

Deadstock-Stoffe sind Materialien, die bei Produktionen übrig bleiben und eigentlich keine Verwendung mehr haben und daher oft ungenutzt bleiben. In den meisten Fällen werden sie entsorgt, können aber auch weiterverarbeitet werden.

Die beiden Gründerinnen und Creative Directors Anaëlle Delassus und Charlotte Westphal setzen sehr auf Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion. Im Interview erzählen sie, was ihnen bei ihrer Mode wichtig ist.

 

In Anbetracht der aktuellen globalen Krisen, was hat die Fashion Week für eine Relevanz?

W1P Studios: Die Berlin Fashion Week, beziehungsweise generell Fashion Weeks, haben in solchen Zeiten die Aufgabe, zum Umdenken anzuregen und Alternativen zu den konventionellen Wegen aufzuzeigen. Insbesondere was die Themen Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion angeht. Fashion Weeks können, zusammen mit den Labels, die daran teilnehmen, beweisen, dass es Alternativen zu Ultra-Fast-Fashion gibt, dass es mehr als nur ein Körperbild gibt, wie man viele Menschen vereinen und Kreativität zelebrieren kann. Durch Regularien, dass gewisse Standards eingehalten werden
müssen, kann dieser Prozess sogar durch Veranstaltungen, wie der Fashion Week, beschleunigt werden und einen positiven Einfluss auf Entwicklungen nehmen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kopenhagener Fashion Week. Berlin hat sich davon inspirieren lassen und im Juni angekündigt, in Zukunft Nachhaltigkeitsauflagen anwenden zu wollen. Das sehen wir als positive Entwicklung an.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um sicherzustellen, dass Ihre Teilnahme an der Berlin Fashion Week nachhaltig ist?

W1P Studios: Grundsätzlich positionieren wir uns mit unserem Label ganz klar im Nachhaltigkeitssegment. Wir achten bei der Kleidung, die wir produzieren, sehr streng darauf, dass der Umwelt so wenig wie möglich geschadet wird. Gerade für die aktuelle Kollektion haben wir deshalb ausschließlich auf Upcycling gesetzt und kooperieren mit dem Berliner Textilhafen, der uns die Materialien für die Kollektion zur Verfügung stellt. Alle Kollektionsteile sind aus natürlichen Materialien ohne Synthetik, und wurden lokal in Berlin mit kurzen Transportwegen produziert. Aber nicht nur bei unserer Mode, sondern beim gesamten Event, haben wir auf Nachhaltigkeit geachtet. Die Farbe, mit der die Kleidung bei unserer Live-Performance bemalt wurde, war wasserbasiert und nach GOTS-Standards. Alle Liefer- und Transportwege, die nicht mit den ÖPNV zurückgelegt werden konnten, wurden ausschließlich über Car-Sharing-Anbieter getätigt. Das Catering am Set war vegetarisch/vegan. Bei der Dekoration haben wir darauf geachtet, dass keine Wegwerft-Produkte genutzt wurden und haben viel aus bestehendem Bestand aus unserem Atelier abgedeckt. Die Models kamen überwiegend aus Berlin und die, die nach Berlin anreisen mussten, kamen mit der Deutschen Bahn.

Wie kann die Berlin Fashion Week dazu beitragen, das Bewusstsein für nachhaltige Mode zu schärfen?

W1P Studios: Die Berlin Fashion Week ist eine etablierte Plattform, die viel Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit und Presse bekommt. Sie ist ein starkes Sprachrohr und ein Wegweiser, wie sich Mode in Deutschland entwickeln wird. Ab dem kommenden Jahr folgt die Berlin Fashion Week dem Beispiel der Kopenhagener Fashion Week, die schon seit einigen Jahren strenge Regularien in Richtung Nachhaltigkeit hat. Dort ist eine Teilnahme an der Fashion Week nur erlaubt, wenn sowohl die präsentierten Kollektionen als auch die Arbeit des Labels/Unternehmens bestimmten Nachhaltigkeitsstandards entspricht. Dass Berlin jetzt nachzieht und die Kooperation mit der Copenhagen Fashion Week eingegangen ist, setzt ein klares Statement: Auch der deutsche Modemarkt muss sich in eine nachhaltigere Richtung bewegen, um weiterhin sichtbar und zeitgemäß zu bleiben.

Außerdem sind in dem Berlin Fashion Week Kalender zunehmend Events von nachhaltigen Labels zu finden. Der Fashion Council Germany hat diese Saison zudem bewusst Events und Shows von nachhaltigen Labels mit Fördermitteln des Studio2Retail- und Berlin Contemporary Preis unterstützt.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Modeindustrie in den kommenden Jahren, und wie kann die Berlin Fashion Week dabei helfen, diese zu bewältigen?

W1P Studios: Als eine große Herausforderung sehen wir, sich als nachhaltiges Labels gegen die großen (Fast-)Fashion Labels langfristig zu behaupten. Es gibt so viele wunderbare Brands, die schon genau den richtigen Weg gehen und es ist sehr schön zu sehen, dass es immer mehr werden. Die Berlin Fashion Week macht hier schon genau das Richtige und fördert seit einigen Jahren noch verstärkter diese Labels, gibt ihnen Plattformen, fördert sowohl mit dem Netzwerk als auch finanziell. Das hilft jungen Brands ungemein, sowohl für den Einstieg in Branchen als auch dabei sich langlebig zu etablieren.

Wandel in der Modeindustrie: Fashion Week als Vorreiter

Auch wenn die Fashion Weeks weltweit zwar auf den ersten Blick in der aktuellen Zeit für einige unsensibel und unangebracht zu sein scheinen, regen sie einen Wandel in der Modeindustrie an. Der Wandel,  durch solche Events beschleunigt wird ist nötig, um Themen wie Nachhaltigkeit in der Mode sichtbar zu machen. Ein Umdenken in der Fast-Fashion-Industrie ist notwendig, um auch in Zukunft Kleidung zu produzieren: Und zwar unter fairen und nachhaltigen Bedingungen, die eben auch einen Blick auf den Klimawandel und politische Situationen weltweit erlauben.

Noch mehr Inhalte zum Thema "Fashion" findet ihr auch bei uns im ALEX Kosmos. Auch interessant: ZENIT - Die Abschluss-Show des Lette-Verein

Text, Interview & Bilder: Carolin Ruddies

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