Mit „Abbruch Abbruch“ hat die Antilopen Gang letzte Woche ihr neues Album veröffentlicht. Statt bei einer einfachen Party, hat das Rap-Trio ihren vierten Longplayer mit einem Symposium plus Konzert in der Kantine am Berghain vorgestellt. Wir waren dabei und haben Panik Panzer, Koljah und Danger Dan einen Tag später zum Interview getroffen.
Das mit dem Symposium passt eigentlich ganz gut, denn: Die neue Platte ist kein normales Rap-Album. Sie ist sehr viel ehrlicher, als man es von Deutsch-Rap kennt*. Die Songs erzählen von depressiven Phasen, Partyüberdruss und der Abkehr vom Kiffen. Auch um schlechten Sex geht es, im Symposium wird das Thema wissenschaftlich erörtert.
Klingt erst mal gar nicht so nach einer Release-Veranstaltung zur neuesten Veröffentlichung in Rap-Deutschland. Aber die Antilopen Gang sind eben auch keine Mainstream Chart-Rapper und nach 10 Jahren im Rap-Game auch irgendwie „erwachsen“ geworden. Wen das abschreckt, dem schreit Panik Panzer ein gepfeffertes „Halts Maul“ entgegen. Denn der Ruf ist eh schon ruiniert.
Panik Panzer, Koljah und Danger Dan waren bei uns zu Gast in der Radiosendung Spotlight und haben mit unserer Kollegin Zoe Uellendahl über ihr neues Album gesprochen.
ZOE: Ihr habt gerade euer neues Album herausgebracht und habt das nicht mit einer typischen Release-Party, sondern mit einem Symposium gefeiert. Wie war das?
ANTILOPEN: Wir hatten nicht nur ein Symposium, sondern ein ganzes Festspiel und das Symposium war nur ein Teil davon. Wir hatten auch eine unfassbare Party, wir hatten ein unfassbares Konzert und all das über viele Stunden hinweg. Auch wenn man manchmal nicht genau wusste was als nächstes passiert und ob das auch gut wird, war es wirklich ein hervorragender Abend, über den wir sehr glücklich sind. Auf dem Symposium hatten wir verschiedene Wissenschaftler und Autoren eingeladen, unter ihnen Prof. Dr. Samuel Salzborn und Dr. Martin Seeliger, die Vorträge zu den Themen gehalten haben, die wir auf unserem neuen Album „Abbruch Abbruch“ behandeln.
Warum ist es für euch so wichtig gewesen ein Symposium zu veranstalten?
Wenn man solch einen Brocken Popkulturelle Relevanz hinlegt wie wir, dann ist es klar, dass man nicht einfach nur eine Release-Party machen kann. Das wäre ja geradezu lächerlich. „Abbruch Abbruch“ ist ja kein normales Rap-Album, sondern Musikgeschichte. Das ist prägend für das neue Jahrzehnt und das war uns klar als es fertig war, sodass wir das auch gebührend feiern und wissenschaftlich fundieren wollten. Es ging nicht anders. Es gab keinen Plan B.
Habt ihr das Gefühl, dass ihr euch, euer Album und eure Kunst erklären müsst?
Also das sollten (bei dem Symposium) andere erklären, wir haben uns ziemlich bedeckt gehalten. Wir haben dann später die Songs gespielt und das sollte dann auch für sich stehen. Wir finden, man sollte sich nicht zu viel erklären, auch wenn wir das manchmal selbst tun. Aber im Nachhinein ist das meistens ein Fehler, wenn man zur Musik und den Texten die Interpretation direkt mitliefert.
Habt ihr das Gefühl häufig missverstanden zu werden?
Ja, ich glaube wir werden von außen häufig missverstanden, verstehen uns aber auch intern häufig miss. Bei der Promo-Phase zu dem Album gab es zum Beispiel einen Song, zu dem wir drei verschiedene Meinungen hatten, worum es in dem Song denn eigentlich geht. Erst jetzt während der Album-Veröffentlichung haben wir überhaupt darüber geredet.
Hat es der Song denn auf das Album geschafft?
Ja tatsächlich. Der Song heißt Wein zu Wasser, zu dem wir drei Verschiedene Ideen hatten, was das sein soll.
Es ist ja symptomatisch für unsere Zeit, dass sich KünstlerInnen immer mehr für ihre Kunst erklären und rechtfertigen müssen. Seht ihr das auch so? Und hat das in die Idee ein Symposium zu machen mit reingespielt?
Eigentlich nicht. Bei dem Symposium ging es ja nicht darum das wir uns rechtfertigen. Wir haben zum Beispiel Songs gegen das Kiffen oder gegen Dörfer gemacht und dann natürlich immer wieder von Kiffern oder Dorfbewohnern missverstanden und gefragt was das alles soll. Uns belastet das aber nicht, wir finden das eher amüsant. Das hatte mit dem Symposium aber nichts zu tun.
Es muss ja nicht aus einer Verteidigungshaltung heraus sein. Habt ihr nicht das Gefühl, dass immer schneller und häufiger hinterfragt wird, was ein Künstler getan oder gemacht hat?
Durch die Social Media Plattformen findet unfassbar viel Austausch statt, der an den künstlern häufig nicht vorbei geht, sondern an dem sie sich beteiligen. Wenn man ein Lied veröffentlicht, dann gibt es ein Video dazu und darunter direkt eine riesige Diskussion. Ich finde das sehr schön, weil es die performative Ebene eines Liedes erhöht indem es vollständig wird durch die Reaktionen der Hörer.
Ist es denn euer bisher politischstes Album?
Nö. Ich finde aber die Frage gut, weil wir auch schon gefragt wurden ob es unser unpolitischstes ist. Ich habe aber so die Theorie, dass wir vom Erzählkosmos immer kleiner geworden sind. Bei „Aversion“ waren das noch größere Themen auf Songs wie „Beate Zschäpe hört U2“, mittlerweile sind wir bei einem Album angekommen, auf dem wir sehr viele persönliche Geschichten erzählen, sehr retrospektiv bleiben und es viel um uns geht. Aber daraus eröffnen sich natürlich ganz große politische Dimensionen.
Gibt es Lieder, retrospektiv betrachtet, bei denen ihr sagt „das sehe ich jetzt anders als damals als ich das geschrieben habe?“
Das ist immer schwer zu betrachten, weil ein Lied in dem Augenblick entsteht indem der Augenblick so ist wie er ist. Es fällt dann schwer im Nachhinein darüber nachzudenken ob ich es jetzt anders machen würde. Wir würden sicherlich bestimmte Wörter nicht mehr nutzen, die wir mal genutzt haben.
Warum fangen all eure Alben mit dem Buchstaben „A“ an?
Also die ehrliche Antwort ist: am Anfang war es Zufall, aber da wir zu Neurosen neigen, konnten wir irgendwann nicht mehr aufhören.
„Abbruch Abbruch“ ist ja ein Ende. Aber nach jedem Ende folgt auch immer ein Neuanfang, wo geht die Reise also hin?
Das werden wir sehen. Vielleicht machen wir dann Alben mit dem Buchstaben „B“ am Anfang.
Vielen Dank für das Interview.
Hier gibt es das ganze Spotlight Interview mit der Antilopen Gang auch nochmal zum Nachhören!
Übrigens: Ab dem 12. Februar sind Danger Dan, Panik Panzer und Koljah mit „Abbruch, Abbruch“ auf Tour in Deutschland und der Schweiz, am 29.02. steht die Antilopen Gang dann in der Berliner Columbiahalle auf der Bühne.
*(mal die Deeptalk-Kings Tua und Maeckes ausgenommen)
Interview: Zoe Uellendahl, Fotos: Philipp Kastenhofer, Einleitungstext: Elisa Slaby
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